Johanna Otten 

Die Pianistin Johanna Otten in der musikalischen Auseinandersetzung zu Werken von Milojka Beutz, anlässlich der Ausstellung „EVA“ im Spektrum Leverkusen, 03.- 05. September 2020

Ihre Gedanken zu der Ausstellung:

„Berührend, ergreifend, verwirrend, tröstend, zum Aufbruch motivierend, zum Umdenken aufrüttelnd, Tabus brechend, offen für andere Lebensgemeinschaften werdend, für Tangos in dur und moll sich öffnend, gegen Starrheit ankämpfend, provozierend, gewollt und ungewollt grenzüberschreitend – So war Milojka Beutz, so ist sie geblieben, sich selbst treu geblieben –für uns hinschauen, ganz bewusst hinschauen – und neu spüren, in sich hinein spüren, neu denken, nochmal neu überdenken –
 
    
Anders werden!
Wieder anders werden!
Und anders sein!
So sehe ich Milojkas Botschaft!
Könnte sie so sein?“
 

„EVA“ –Einladungskarte

Auseinandersetzung:

„Einladung sich anders zu betrachten, sich anders zu sehen, sich einen Spiegel vorhalten. Soll ich neue, ganz ungewohnte Wege gehen? - In andere Farben und Formen schlüpfen? – Dunkle und helle Straßen gehen?“

Interpretation:

„Ich interpretiere dieses Bild nur fragmentarisch, selbst auf Spur und Suche, welche melodischen und harmonischen Abenteuer mich erwarten.“ 


Musikalische Interpretation:

„Sinnliche EVA"

„Wie könnte ich es besser ausdrücken, spielen, als in dem französischen, ganz bekannten Lied „Je t’aime“ von Serge Gainsbourg. Ich spielte dieses Lied verfremdet, brachte viele fremdartige, nicht zur Melodie passende Akkorde hinein, weil auch Milojkas Darstellung, befremdlich, fast grenzüberschreitend wirkt.


 Die beiden „Notenbilder“

„Absichtlich habe ich für die beiden Bilder den Tangorhythmus gewählt"

Auseinandersetzung:

Erstes Bild, noch in leicht gebückter Position, aber den Arm heben, selbstbewusst, trotz der nicht eindeutigen Haltung ihres Körpers. – Noch gefangen in unterschiedliche sich ansatzweise widersprüchlichen Bewegungen.“

Interpretation:

„Von daher habe ich „Tango“ als Kraftsymbol, aber auch das Tongeschlecht in „moll“ gewählt.“

Auseinandersetzung und Interpretation:

„Aus dieser Ambivalenz, ein anmutiger Körper voller Elan, kreisende Arm- und Beinbewegungen, aufschwingende Türkisbögen habe ich den Tangorhythmus in „dur“ gewählt beim zweiten „Notenbild.“


Die beiden „Telefonbilder“

Auseinandersetzung:

„Diese beiden Bilder haben für mich eine starke symbolische Aussage. So wie ein Telefonbuch eine Starrheit des immer wiederkehrenden Schemas inne hat – Name, Adresse, Telefonnummer, oder nur Name und Telefonnummer, versucht Milojka durch ihre Darstellung, so ganz aus dem regelhaften, sich über feste, starre Formen, souverän so scheint es, hinwegzusetzen und darüber hinauszuwachsen.“


„Arabische Frauengruppe“

Auseinandersetzung:

„Sie sind zusammen und doch nicht zusammen, gehören sie zusammen, gehören sie nicht zusammen? Wir wissen es nicht. - und dennoch spüren wir eine Zugewandheit - eine Nähe! – sie sind augenlos, fast augenlos – ist es Trauer, ist es Versenkung, ist es Gedankenschwere? Wir wissen es nicht.“

Interpretation:

„Ich habe meine Interpretation in arabischer Tonart gespielt, Akkorde, Melodien offen gelassen – ohne erlösenden Grundakkord der Tonart. Zusammengehörigkeit durch die arabischen Weisen, aber verborgen, ungewiss in den Melodien, so wie die zaghaft angedeutenten Farben, verhalten, eher kühl bis auf den am höchsten stehenden Menschen in der Gruppe. Hat er ein Tamburin in der Hand? Schlägt er mit einer Hand auf die Fläche?

Es ist eine mysteriöse disharmonische Harmonie in dieser Gruppe. Das habe ich versucht in meiner Interpretation des Bildes darzustellen und umzusetzen.“


Vierergruppe (Vernissage)

Auseinandersetzung:

„Im ersten Bild erkennen wir ein schwaches Rot- eine kauernde Eva – ohne Profil ohne Mut.“

Interpretation:

„Wenige stumpfe Akkorde kennzeichnen dieses erste Bild."


 

 

Auseinandersetzung:

„Im zweiten Bild zeigt sich ein starkes Gelb, bedrohlich über dem kaum farblich erscheinenden trüben Rot- fast farblos.“

Interpretation:

„Einige dumpfe Melodien suchen halt in festen Akkorden, schaffen es jedoch nicht, einen Halt zu finden.“


Auseinandersetzung:

„Im dritten Bild verschwindet das übermächtige gelb, Eva richtet sich auf, bereit, sich auf den Weg zu machen.“

Interpretation:

„Nun werden die Akkorde fester, die Melodien klarer, ein zaghaftes, aber dennoch hörbares „dur“ stellt sich ein; ein Rhythmus, ein leicht hörbarer Geh-rhythmus ist zu hören.“


 

Auseinandersetzung:

„Im vierten Bild erkennen wir schließlich ein kraftvolles Rot, das nun das Bild dominiert. Starke Frauenschenkel schreiten voran, machen sich nun mit Entschiedenheit auf den Weg in die Zukunft.“

Interpretation:

„Auch die Musik ist nun kraftvoll, entschlossene, harmonisch eindeutige Durarkkorde bestimmen und untermalen klare und rhythmisch durchstrukturierte Melodien. Fast wie ein Triumpfmarsch wirken die Motive dieser Interpretation. Man spürt die Befreiung aus der Vergangenheit.“



Epilog:

„In der Auseinandersetzung mit den Bildern von Milojka Beutz konnte ich Vieles über ihre Lebensgeschichte, ihr Ringen und Streben nach Klarheit, ihr Kampf mit dem Leben und den Mut Frau, „EVA“ sein zu dürfen, erfahren.

Ich bin froh und dankbar, diese Erfahrung machen zu dürfen, die auch mir tiefere Erkenntnisse in Seele, Geist und Körper ihres Lebens und das Leben der Menschen allgemein – nicht zuletzt auch meines Lebens geschenkt haben.

Ich danke ihr dafür!“

 

Johanna Otten, im Februar 2021